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Landgericht Potsdam verurteilt Volkswagen wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung auf Rücknahme eines gebrauchten Euro5-Diesel mit Software-Update

 

Das Landgericht Potsdam hat die Volkswagen AG und die Seat Niederlassung Deutschland wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung verurteilt, einen gebrauchten Euro-5-Diesel zurückzunehmen und dem Kläger den Kaufpreis abzüglich einer Nutzungsentschädigung zurückzuzahlen. Dabei hat nach Überzeugung des Gerichts das zwischenzeitliche Software-Update den erheblichen Mangel nicht beseitigt (LG Potsdam, 11 O 408/17 vom 26. September 2018).

 

 

 

Der Kläger hatte im März 2012 bei der Seat Niederlassung in Berlin einen gebrauchten Seat Alhambra erworben. Im Januar 2017 wurde das vom Kraftfahrbundesamt verfügte Software-Update vorgenommen. Danach traten an dem Fahrzeug zwei Motorschäden im Zusammenhang mit der Abgasrückführung auf. Nunmehr drohen diesem Fahrzeug in zahlreichen deutschen Städte Fahrverbote. Der Kläger verlangte deshalb vom Verkäufer und der Volkswagen AG erfolgreich die Rücknahme des Fahrzeugs.

 

 

 

Nach Feststellung des LG Potsdam hat sich die Volkswagen AG „objektiv sittenwidrig verhalten, indem sie das von dem Kläger erworbene Fahrzeug mit dem Motor und der Motorsteuerungssoftware ausstatten und ohne dies offenzulegen … in den Verkehr bringen ließ.“ Dabei habe VW eine Schädigung der Käufer von mit Dieselmotoren ausgestatteten Fahrzeugen „aus eigennützigen Motiven, nämlich bloßem Gewinnstreben, in sittlich anstößiger Weise billigend in Kauf genommen.“ Die von VW im Prozess vorgetragene Auffassung, die Abgaswerte müssten nur unter Laborbedingungen auf Prüfständen eingehalten werden und auf die im tatsächlichen Fahrbetrieb erreichten Werte komme es nicht an, ließ das Gericht nicht gelten. Unter normalen Bedingungen im Sinne der EU-Vorschriften, so das LG, sei der „Betrieb des Fahrzeugs in der Weise, wie es von Nutzern üblicherweise verwendet wird, mithin im allgemeinen Straßenverkehr“ zu verstehen.

 

  

 

Als besonders verwerflich sei der Rechtsverstoß von VW, weil er „nicht nur in Bezug auf das betroffene Fahrzeug des Klägers begangen…, sondern die Art der technischen Ausrüstung von Dieselfahrzeugen bei ihr üblich, mithin allgemein gebräuchlich ist. Sie hat mithin gegenüber der Allgemeinheit und damit auch gegenüber jedem Erwerber durch Erbringung formeller Nachweise vorgetäuscht, dass die mit ihrem Motor nebst Motorsteuerungssoftware ausgestatteten Fahrzeuge eine den gesetzlichen Anforderungen entsprechende Abgasrückführungsrate aufweist.“  Hieran änderte auch das zwischenzeitlich durchgeführte Software-Update nichts. Der Kläger hatte hierzu vorgetragen und unter Beweis gestellt, dass die betroffenen VW-Diesel-Fahrzeuge auch nach dem Update die europäischen NOx-Grenzwerte nicht einhalten und erneut über eine verbotene Abschalteinrichtung verfügen – ein sogenanntes „Thermofenster“, das die Abgasreinigung außerhalb eines enge Außentemperaturbereiche abschaltet und durch das bei den in Deutschland üblichen Durchschnittstemperaturen keine ausreichende Abgasreinigung stattfindet.  

 

 

 

Den Einwand von VW, ihr Vorstand habe von den Manipulationen keine Kenntnis gehabt, ließ das LG nicht gelten. Auch den verantwortlichen Mitgliedern des VW-Vorstands seien „verwerfliche Beweggründe und Gesinnungen“ vorzuwerfen. VW könne die betrügerischen Handlungen ihres Vorstands nicht bloß bestreiten, sondern müssen sich davon entlasten (sekundäre Darlegungs- und Beweislast). VW habe hätten zudem nicht mit dem erforderlichen Nachdruck die interne Aufklärung betrieben: „Der Umstand aber, dass nach nunmehr mehreren Jahren keine Ergebnisse dieser internen Untersuchung dargelegt werden, vielmehr immer noch Unterlagen zu sichten und auszuwerten sind, zeigt jedoch, dass die Ermittlungen entweder nicht mit dem erforderlichen Nachdruck geführt werden oder die Ermittler nicht mit den ausreichenden Mitteln ausgestattet sind, um ihre Aufgabe zeitnah sachgerecht zu erfüllen.“

 

 

 

Der Brieselanger Rechtsanwalt Christian Achilles, der das Urteil erstritten hat, bezeichnete es als „wegweisend für alle Dieselnutzer“. Auf dieser Basis könnten alle Dieselfahrer Fahrzeuge aus dem VW-Konzern (VW, Audi, Seat, Skoda) mit Euro5-Norm gegen Erstattung des Kaufpreises an die Volkswagen AG zurückgeben – das gelte auch dann, wenn bereits ein Software-Update stattgefunden hat. Die Anrechnung der Nutzungsentschädigungen sei in aller Regel deutlich günstiger als der aktuelle Marktpreis. Wenn ursprünglich ein Neufahrzeug erworben worden sei, könne jetzt auch der Austausch gegen ein anderes Neufahrzeug mit einer neueren Abgasnorm durchgesetzt werden. „Dieselfahrer müssen sich zudem nicht auf ungewisse Hardware-Nachrüstungen oder Umtauschprämien verlassen, wie sie derzeit von der Koalition auf Bundesebene geplant werden.“ Entsprechende Ansprüche müssen allerdings bis zum 31. Dezember 2018 vor Gericht geltend gemacht werden. Betroffene sollten aber unbedingt anwaltliche Hilfe suchen; die Kosten werden in aller Regel von bestehenden Rechtsschutzversicherungen übernommen.

 

 

 

„Insbesondere die Diesel-Fahrzeuge des VW-Konzerns halten auch nach dem Software-Update nicht die gültigen Euro-5-Abgasnormen ein. Bundesregierung und Kraftfahrtbundesamt können deshalb rechtlich für die Dieselfahrer sehr viel mehr tun, als bei den Herstellern um Hardware-Nachrüstungen und Umtauschprämien zu bitten“, sagte Rechtsanwalt Achilles.